Haltungsschwäche

Bereits die Eltern ermahnten häufig: „sitz gerade“. Doch die Art des eigenen Sitzens fühlte sich natürlich und normal an, und somit wurde es bald Gewohnheit, die Aussagen der Eltern zu ignorieren. Mit der Zeit vergrößerte sich das Ausmaß des Sitzens. Mehr Lernaufwand, längere Ausbildungen, Jobs in denen hauptsächlich gesessen wurde sowie eintönige körperliche Arbeiten in unnatürlichen Positionen.

Eine weitreichende Symptomatik 

Lästigkeiten des Bewegunsapparates begannen: Eine Überspannung der Nackenmuskulatur, ein zarter Druck in der Lendenwirbelsäule, das Steißbein spürbar, die Finger manchmal einschlafend. Nichts Ernstes, doch eindeutig mit dem Sitzen in Zusammenhang zu bringen – und über die Jahre hinweg wurden die Lästigkeiten zu echten Beschwerden.

Die frühere Überspannung des Nackens erhöhte sich zu richtigen Verspannungen welche regelmäßig zu Kopfschmerzen führten. Der Druck in der Lendenwirbelsäule erhöhte sich, eine Steifheit gesellte sich dazu und obendrein ein unregelmäßig auftauchendes Ziehen in den Beinen. Das Steißbein fühlte sich bereits nach einem halben Arbeitstag geprellt an und die Taubheit der Finger – bedingt durch stundenlange Computerarbeiten – musste mehrmals pro Tag durch Lockerungsübungen erleichtert werden.

Anfangs lösten sich die Probleme über das Wochenende auf und kamen erst gegen Mitte der Arbeitswoche wieder. Über die Jahre aber verfestigten sich die Symptome dermaßen, dass auch das arbeitsfreie Wochenende keine Erleichterung mehr mit sich brachte. Es wurden Behandlungen und Übungen verschrieben, doch die dadurch hervorgerufenen leichten Verbesserungen waren nie von langer Dauer. Hatten die Eltern womöglich doch Recht? Wären die schmerzhaften Beschwerden ausgeblieben, hätte man ihren Rat beherzigt und auf seine Körperhaltung mehr geachtet?

Wie äußert sich „schlechte Haltung“?

„Schlechte Haltung“ ist ein Zustand, der bei den meisten Menschen in frühem Alter beginnt und sie unabhängig von Geschlecht und Arbeitsumfeld ein Leben lang begleitet. Doch was versteht man unter „schlechter Haltung“?

Die Wirbelsäule des Menschen besteht aus (gewöhnlicher Weise) 24 knöchernen Wirbeln: Fünf Lendenwirbel, zwölf Brustwirbel und sieben Halswirbel – verbunden jeweils mit einer Bandscheibe. Dieses Konstrukt „steht“ auf dem Becken, dieses stellt das Fundament der Wirbelsäule dar und darauf ruht der Kopf. Funktionell sollte die Wirbelsäule eine doppelte S Krümmung aufweisen: eine konkave Lendenwirbelsäule (ein zartes „Hohlkreuz“), eine Gegenkrümmung der Brustwirbelsäule (diese wird zu einem „Buckel“ wenn zu stark ausgeprägt) und wieder eine Konkavität in der Halswirbelsäule (ein zarter „Hohlnacken“). Diese Krümmungen sorgen in Verbindung mit den Bandscheiben für hervorragende Dämpfung, andernfalls wäre die Wirbelsäule hart und steif wie ein Besenstiel mit dem man auf den Boden stampft.

Wieso sieht man allerdings kaum Menschen, die diese natürliche Statik ihres knöchernen Stützapparates selbstverständlich nutzen? Der menschliche Körper ist für eine Vielzahl unterschiedlicher Bewegungen und Belastungen ausgelegt: laufen, klettern, schwimmen, kriechen, springen, rollen uvm. Dafür wurde er erschaffen, dafür ist er geeignet. Wofür ihn die Evolution nicht vorgesehen hat, ist Statik. Ruhe und Bewegungslosigkeit. Alleine die Bewegungen des Alltags haben in den letzten 100 Jahren massiv abgenommen, ganz abgesehen vom Ausmaß, das der moderne Mensch heute sitzend verbringt. Dafür wurde unsere Wirbelsäule nicht gemacht.

Es ist schön zu beobachten, wie natürlich und perfekt die meisten Kinder bis zu ihrem Schulbeginn ihre Körperhaltung einnehmen. Der Kopf ruht über dem Schultergürtel, die Schultern liegen entspannt, das Brustbein leicht angehoben. Wenn ein Gegenstand vom Boden gehoben wird, heben sie mit perfekter Hebetechnik – vergleichbar mit der Bewegung eines Gewichthebers. Und dann, beginnt die Zeit der Schule. Die Zeit des Sitzens. Des unnatürlich langen Sitzens. So verschwindet Stück für Stück – Jahr für Jahr – die natürliche Leichtigkeit der normalen Körperhaltung. Bis die Eltern erstmals sagen: „sitz gerade“.

Viele Faktoren müssen beachtet werden

Das Einnehmen einer „guten“ Haltung – einer Haltung wie der Mensch sie von Natur aus haben sollte/könnte – ist mehreren Faktoren unterworfen. Wenn Physiotherapeuten Haltungsschulung abhalten wissen sie davon zu berichten, dass Menschen immer wieder auf Grund ihrer psychoemotionellen Situation nicht in der Lage sind, sich aufzurichten. Z. B. wird sich ein 13-jähriges Mädchen welches den Wachstum ihrer Brust erfährt und sich dabei unsicher fühlt schwer tun, ihr Brustbein nach vorne oben zu bewegen um ihre Brustwirbelsäule zu strecken. Ebenso wird ein pubertierender 15-Jähriger kaum seinen Schultergürtel nach hinten unten bringen, wenn es zur Zeit cool ist, zusammengesunken mit hängenden Schulter durch’s Leben zu gehen.

Menschen mit Depressionen, Menschen mit geringem Selbstwert, oder einfach ein „schlechter Tag“ – für viele ist es nahezu unmöglich unter diesen Umständen mit aufgerichteter Wirbelsäule dem Alltag zu begegnen. Wenn die psychoemotionelle Situation die Haltung zuließe bedeutet dies allerdings nicht, dass der Trainingszustand der Rückenmuskulatur das Einnehmen einer gesunden Wirbelsäulenposition überhaupt zulässt. Diese Muskeln sind nämlich bei „guter Haltung“ mit einem großen Ausmaß an Kraft, Ausdauer und Leistung konfrontiert. Die Kraft und Ausdauer um einen ganzen Tag in normaler Körperhaltung zu verbringen muss angeeignet und dann trainiert werden.

Dabei wurde noch gar nicht vom Nervensystem gesprochen. Das Zusammenspiel der einzelnen Rückenmuskeln muss erst erkannt, gespürt, erlernt und dann routiniert werden. Dies alles sind grundsätzliche Notwendigkeiten, um überhaupt in „gute Haltung“ kommen zu können. Abgesehen von Krankheitsbildern die eine Aufrichtung der Wirbelsäule erschweren oder unmöglich machen – Skoliose, Morbus Bechterew, Gleitwirbel, Morbus Scheuermann, Spondylarthrose, Bandscheibenvorfälle etc. – kann es Beschwerdebilder geben, die sekundär zu einer „schlechten Haltung“ führen: Vernarbungen der Bauchdecke, Verklebungen von Faszien oder Bauchorganen, Entzündungen im Bauchraum, unnatürliche Verkürzungen von Hüft-, Becken-, Bauch- oder Rückenmuskeln.

Ein weiterer Punkt ist die soziale Akzeptanz der Körperaufrichtung. Bewegt sich der betreffende Mensch in einem Umfeld, wo eine aufrechte Haltung als Provokation gesehen werden kann? Als ein Ausdruck von Stolz oder Überheblichkeit? Es ist klar zu erkennen, dass es ein sehr komplexes Feld ist, einen Menschen in „gute Haltung“ zu begleiten. „Die Rückenmuskeln kräftigen“, „doch endlich an seiner Haltung zu arbeiten“, „sitz gerade“ ist in den wenigsten Fällen zielführend, um das Bild der Wirbelsäulenaufrichtung nachhaltig zu verändern.

Das Team des Gutshauses ist erfahren und routiniert darin zu erkennen, wo die Hauptfaktoren für das Nichteinnehmen einer natürlichen und gesunden Haltung liegen. Die Zusammenarbeit unserer SpezialistInnen sorgt dafür, dass – wie immer im Rahmen unserer Arbeit – die eigentlichen Ursachen dieses Problems erkannt und behandelt – und nicht lediglich „Rückenstärkung und Dehnübungen“ durchgeführt werden. Dies mit dem Ziel, in jedem Bereich des Alltags eine lebendige, aktive, natürliche und gesunde Körperhaltung einnehmen und bewahren zu können.

Ist nach (fach)ärztlicher Abklärung am besten behandelbar durch Zusammenarbeit der Fachbereiche:

  • Osteopathie
  • Physiotherapie
  • Systemische Aufstellung
  • Gesundheitstrainer

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